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Offener Brief BMBF

Unten gibt es die Möglichkeit, diesen offenen Brief durch Mitzeichnung zu unterstützen

Anja Karliczek
Bundesministerium für Bildung und Forschung

Kapelle-Ufer 1
D-10117 Berlin

via E-Mail an: bmbf@bmbf.bund.de

Sehr geehrte Ministerin Karliczek,

Eine Krise ist immer auch ein Systemtest.
Die aktuelle Coronakrise bringt die systemischen Defizite der Studienfinanzierung in Deutschland deutlich zum Vorschein. Das BAföG bietet zwar eine Finanzierungsmöglichkeit, diese deckt jedoch in den meisten Hochschulstädten weder die Lebenshaltungskosten, noch erreicht sie alle Studierenden. BAföG ist bis auf wenige Ausnahmen nur für diejenigen zugänglich, die einen Unterhaltsanspruch haben und deren Eltern sie nicht unterstützen können. Gerade in wirtschaftlichen Krisenzeiten wird aber auch für Unterhaltsverpflichtete die Versorgung ihrer studierenden Kinder zu einer Herausforderung. Bei durch das Elternhaus finanzierten Studierenden entsteht also die erste akute Lücke der Studienfinanzierung in der Krise. Unter den Studierenden, die BAföG beziehen, gehen auch in normalen Zeiten viele einer Nebentätigkeit nach, um überhaupt ‘über die Runden zu kommen. Die BAföG-Sätze decken die Lebenshaltungskosten in vielen Hochschulstädten nur unzureichend ab, dies wird bereits seit Jahren von verschiedenen Stakeholdern kritisiert. Dazu kommen noch diejenigen, welche ohnehin nicht BAföG bezugsberechtigt sind, weil sie die Regelstudienzeit überschritten, nicht rechtzeitig genug den notwendigen Leistungsnachweis erbracht haben, in Teilzeit studieren oder einfach später mit dem Studium begonnen haben. Auch internationale Studierende haben in den meisten Fällen keinen Anspruch auf Studienfinanzierung und bestreiten ihr Studium entweder mithilfe ihrer Familien oder durch Nebenjobs.

All diese Studierenden stehen jetzt vor der konkreten Situation, dass ihr Nebenjob – und damit ein Teil oder die komplette Studienfinanzierung – bereits in den ersten Zügen der Ausbreitung des COVID-19 in Deutschland ohne Lohnfortzahlung gestrichen wurde. Zwei Drittel von 2,9 Millionen Studierenden finanzieren ihre Lebenshaltungskosten teilweise oder komplett durch Nebenjobs. Nicht alle können kurzfristig durch die in der Coronakrise neu entstandenen Verdienstmöglichkeiten aufgefangen werden. Der

Systemtest in der Krise produziert hunderttausende Studierende, welche aktuell vor der Frage stehen, wie die nächsten Monate finanziert werden sollen.

Wir arbeiten neben dem Studium, weil wir meist keine andere Wahl haben. Wir arbeiten neben dem Studium, obwohl ein Großteil der Studiengänge bereits eine 40-Stunden-Woche voraussetzt. Wir brauchen gesellschaftliche Unterstützung und wir sind in den kommenden Monaten ebenso auf staatliche Hilfen angewiesen wie es andere betroffene Gruppen auch sind.

Für viele gesellschaftliche Gruppen wurden in den letzten Wochen Notfinanzierungsprogramme aufgelegt und die schnelle Umsetzung derselben ist begrüßens- und bewundernswert. Studierende wurden jedoch erneut mehrfach vergessen – und das, obwohl die Problemlage angekommen zu sein scheint.

Doch der Studienbetrieb geht auch bei geschlossenen Hochschulen weiter. Haus-, Projekt- und Abschlussarbeiten müssen auch im Onlinesemester geschrieben werden. Die Prüfungen sind vielfach nur aufgeschoben, was die Prüfungslast im kommenden Semester zusätzlich erhöht. Wir mögen unsere Studiengänge, daher nehmen wir vieles in Kauf. Aber dazu soll jetzt noch ein Darlehen kommen, das nach der Krise abgestottert werden muss?

Die Petition “Soforthilfe für Studierende JETZT” sammelte in wenigen Tagen zehntausende Unterschriften. Viele Studierende berichten in den Kommentaren zur Petition von ihrer ganz persönlichen Krise, von wegfallenden Jobs und der Angst vor den kommenden Wochen und Monaten. Wenn im Krisenfall innerhalb weniger Tage für zehntausende Studierende die Finanzierung ihres eigenen Lebens gefährdet ist, stimmt etwas im System der Studienfinanzierung in Deutschland nicht!

Die jungen Menschen stehen vor existentiellen Fragen! Wir brauchen jetzt eine finanzielle Absicherung derjenigen, die aktuell weder wissen, wie sie ihren Lebensunterhalt in den kommenden Monaten finanzieren sollen, noch wie das Sommersemester im Studienablauf überhaupt ausgestaltet werden wird.

Und diese Absicherung darf nicht zu einer weiteren Belastung der Studierenden führen. Sie muss unbürokratisch ausgestaltet und eine echte Unterstützung in der Notsituation sein. Studierende schrecken vor Kreditaufnahmen zurück. Sie bedeuten, dass sich Studentinnen unverschuldet verschulden müssen, um Nahrung und Miete zu bezahlen. Mindestens im Falle der Bedürftigkeit müssen daher an Studentinnen Zuschüsse ausgezahlt werden. Zuschüsse erfordern insgesamt einen deutlich geringeren Verwaltungsaufwand, sowohl bei der Prüfung der Berechtigung als auch bei der Rückabwicklung. Gerade jetzt muss die Hilfe möglichst schnell bei den Student*innen ankommen. Jedwede Lösung über Darlehen ist eine weitere Belastung für Studierende und wird die Zahl der Studienabbrüche und die Zahl der Studienzeitverlängerungen drastisch erhöhen.

Nehmen Sie die Situation der Studierenden wahr. Nehmen Sie uns ernst. Nach all den Jahrzehnten, in denen die Studienfinanzierung in Deutschland konsequent abgebaut und die Lebensrealität der Studierenden ignoriert wurde:

Machen Sie es diesmal bitte richtig! Seien Sie diejenige, die uns zuhört und unsere Sorgen und Ängste ernstnimmt! Wir laden Sie zu einem Austausch mit den betroffenen Studierenden ein. Wir haben die Möglichkeit, dies schnell und unkompliziert zu realisieren. Über einen Mailverteiler können wir alle 55.000 Unterzeichnenden unserer Petition zur Soforthilfe schnell und unkompliziert erreichen. Setzen sie sich mit den Betroffenen auseinander und lassen Sie uns zusammen eine Lösung im Sinne der Betroffenen finden!

Mit freundlichen Grüßen,

Unterzeichner*innen

Unterzeichnen

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    Dieser offene Brief wurde am Donnerstag, 23.04.2020 verschickt. Bis heute haben wir keine Antwort auf das Gesprächsangebot erhalten.