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Offener Brief

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Gesetzesentwurf zu COVID-19 stellt Hochschuldemokratie in Frage

In der vergangenen Woche legte die Landesregierung einen Gesetzentwurf vor, der maßgeblich in die Grundrechte und Freiheiten der Bürger*innen sowie Hochschulen eingreift. Der Abschnitt für das Hochschulgesetz sieht eine Erstellung einer Rechtsverordnung mit gravierenden Eingriffen in die Rechte und Pflichten von Hochschulen, speziell der Studierenden vor. Die dazugehörige Verordnung wurde aber gänzlich ohne die Beteiligung der Studierenden entwickelt. Für uns wirkt es wie ein Déjà-vu! Erst letztes Jahr hat die Landesregierung das Hochschulgesetz ohne Rücksicht auf die Meinung der Studierenden durchsetzen wollen.

Aus dem vorliegenden Entwurf geht in Paragraph 11 nicht hervor, ob dieses Gesetz nur im Falle der aktuellen Corona Pandemie genutzt werden soll, wie es im Titel suggeriert wird, oder öfter in Kraft tritt. Für letzteren Fall, den die fehlende Befristung erahnen lässt, fordern wir, dass wissenschaftliche Regelungen und Standards definiert werden, welche eindeutig bestimmen, wann die Wirksamkeit des Gesetzes beginnt und vor allem endet.

In §15 des vorliegenden Gesetzes sollen Menschen mit entsprechender Vorbildung – darunter auch viele Studierende – zum Dienst im pflegerischen oder medizinischen Bereich verpflichtet werden können. Wir möchten unsere Kommiliton*innen hier klar vor diesem Grundrechtseingriff schützen und verlangen stattdessen die Möglichkeit der bezahlten Freistellung in den aktuell ausgeübten Berufen, sollten die Betroffenen sich freiwillig entscheiden bei der Bewältigung der Krise zu unterstützen. Die Selbstverständlichkeit der Aussetzung von Grundrechten als Schaffung “kurzfristiger” Abhilfe – wie es im Begründungstext heißt [1] – stößt hier auf großes Unverständnis.

Der Artikel zur Änderung des Hochschulgesetzes wird von uns scharf kritisiert. Der hier eingeführte Paragraph ermöglicht es dem Ministerium für Kultur und Wissenschaft bis zu elf verschiedene weitere Paragraphen mittels einer Verordnung zu ändern. Dabei bedarf es dem Ministerium weder der Einbeziehung des Landtags noch der Hochschulen. Wir bemängeln auch hier, dass in der aktuellen Fassung die Änderung des Hochschulgesetzes nicht ausläuft. Das Ministerium ermächtigt sich hiermit auch nach der Krise zu massiven Eingriffen in die Hochschulfreiheit. Dieser Einschnitt in die Demokratie kann und darf nicht erfolgen. Daher sollten die Änderung des Hochschulgesetzes, die zugehörige Rechtsverordnung und darauf basierende Erlasse Ende des Sommersemesters 2020 auslaufen.

Des Weiteren bleibt die Regierung die Begründung, warum Akkreditierung, Einschreibung und Anerkennungsverfahren geändert werden müssen, auch in der Erklärung des Gesetzes schuldig und lässt uns verständnislos gegenüber der Notwendigkeit dieser Möglichkeit. Im Entwurf der Rechtsverordnung ist bisher keine Möglichkeit gegeben, dass das Rektorat die Prüfungsordnungen ohne Gremieneinfluss ändern kann, in der Begründung der Änderung des Hochschulgesetzes wird allerdings beispielhaft auf genau diese Möglichkeit hingewiesen. Wir sprechen uns entschieden gegen die Änderung demokratisch legitimierter Ordnungen per Exekutiverlass aus und sind erleichtert darüber, dass davon bisher abgesehen wird. 

Eine zentrale Regelung in Prüfungsangelegenheiten und Verfahrensmöglichkeiten bei Modulvoraussetzungen ist in der Krise nötig und wird von uns ausdrücklich begrüßt. Wir fordern aber, dass die Rektorate nicht, wie in der Rechtsverordnung derzeit vorgesehen, die alleinige Entscheidungsgewalt bei Änderungen sämtlicher Hochschulregularien bekommen.  Zu einer solch starken Einschränkung der Demokratie darf es nicht kommen. Hierbei sollten bei allen Regelungen alle Gruppen im Senat und der AStA eingebunden werden. Darüber hinaus muss durch eine Regelung die Handlungsfähigkeit von Hochschulgremien über die generelle Erlaubnis digitaler Sitzungen und Beschlüsse gesichert werden.

In allen Fällen sollen die Studierenden bei der Erstellung dieser Rechtsverordnung ein Mitspracherecht haben. Dies ist zum Beispiel über den Einbezug des Landes-ASten-Treffen NRW möglich. Es darf auch in Krisen nicht passieren, dass die Demokratie in diesem unverhältnismäßigen Umfang eingeschnitten wird. 

Wir möchten die Aufmerksamkeit auch darauf lenken, dass durch die ausgesetzten Hochschulwahlen ein hoher Druck auf die engagierte Studierendenschaft gelegt wird. Studierende, welche sich trotz Belastung ihres Studiums ehrenamtlich engagieren, sollte durch die verlängerte Amtszeit nicht eine noch größere Bürde auferlegt werden, stattdessen sollte das Ehrenamt gewürdigt und unterstützt werden. Wir fordern ein Zukommen auf die engagierte Studierendenschaft, welche durch verlängerte Amtszeiten potentiell auf finanzielle Probleme, sowie Probleme der psychischen und physischen Gesundheit stößt. 

Letzten Endes wird der wichtigste Aspekt zur gemeinsamen Bewältigung der aktuellen Krise der Einbezug aller betroffenen Gruppen bei der Erarbeitung der dazugehörigen Gesetzgebung und der Regelungen für den Hochschulbetrieb sein.  

Uns ist bewusst, dass diese Situation besondere Herausforderungen birgt, aber wir sind der Meinung, dass die Entscheidungen, die jetzt getroffen werden müssen, nicht von einer Institution alleine gefällt werden können. Eine Stimme der Studierendenschaft im Prozess ist unumgänglich. 

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[1] Für staatliche Anordnungen in Bezug auf die letztgenannten Aspekte fehlt es bisher an eindeutigen Rechtsgrundlagen. Diese werden daher kurzfristig landesrechtlich geschaffen, …” (LANDTAGNORDRHEIN-WESTFALEN – 17. Wahlperiode Drucksache 17/8920)

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