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Positionspapier BAföG

Bildung ist ein Menschenrecht – BAföG endlich existenzsichernd gestalten.

LAT NRW

Das Landes-ASten-Treffen NRW (LAT NRW) versteht das Recht auf Bildung als grundlegendes Menschenrecht. Dieses Recht endet nicht mit dem Schulabschluss, sondern umfasst ausdrücklich den Zugang zu Hochschulbildung – unabhängig von sozialer Herkunft und finanzieller Lage. Das Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) ist das zentrale Instrument zur Umsetzung dieses Anspruchs. Doch anstatt soziale Ungleichheit auszugleichen, reproduziert es sie zunehmend.

In Nordrhein-Westfalen zeigt sich diese Problematik besonders deutlich: Laut CHE Hochschuldaten bezogen im Jahr 2023 nur noch 12,1 % der Studierenden in NRW BAföG. Gleichzeitig sind über 70 % der Studierenden gezwungen, neben dem Studium zu arbeiten (IT.NRW, 2023). Das BAföG reicht nicht, um den Lebensunterhalt zu sichern – und erreicht nur einen Bruchteil derjenigen, für die es gedacht ist. Die strukturellen Schwächen des BAföG gefährden die soziale Durchlässigkeit des Hochschulsystems.

Der aktuelle BAföG-Grundbedarf liegt bei 475 €. Damit liegt er unter dem gesetzlichen Bürgergeld-Regelsatz für alleinstehende Erwachsene (563 €, Stand 2025). BAföG soll jedoch nicht nur den Lebensunterhalt sichern, sondern zusätzlich studienbedingte Kosten decken – etwa für Bücher, Technik oder Lernmaterial. Damit verfehlt der aktuelle Satz seinen Zweck deutlich.

1. Bedarfssätze endlich an das Existenzminimum anpassen

Das LAT NRW hat sich in einer Stellungnahme zum Bundesverfassungsgerichtsurteil von 2024 klar positioniert: Obwohl das Gericht die BAföG-Sätze aus 2014/15 nicht als verfassungswidrig eingestuft hat, betont das LAT, dass eine strukturelle Reform dringend notwendig ist. Ein Bildungssystem, das Studierende unter dem Existenzminimum fördert, ist nicht menschenrechtskonform.

Das LAT NRW fordert:

  • Eine sofortige Anhebung der Bedarfssätze auf mindestens das Niveau des Bürgergeldes plus pauschalierte Ausbildungskosten.
  • Eine automatische jährliche Anpassung der Sätze an die Entwicklung von Preisen und Einkommen.

2. Wohnkosten realistisch und sozial gerecht berücksichtigen

Wohnkosten sind die mit Abstand größten Ausgaben für Studierende. Die BAföG-Wohnkostenpauschale liegt seit 2024 bei 380 €, obwohl WG-Zimmer in NRW-Städten wie Köln oder Münster laut Moses-Mendelssohn-Institut im Durchschnitt bei über 500 € liegen.

Das LAT NRW fordert:

  • Wohnkosten sind die mit Abstand größten Ausgaben für Studierende. Die BAföG-Wohnkostenpauschale liegt seit 2024 bei 380 €, obwohl WG-Zimmer in NRW-Städten wie Köln oder Münster laut Moses-Mendelssohn-Institut im Durchschnitt bei über 500 € liegen.

3. BAföG zugänglicher und gerechter gestalten

Seit der Einführung des BAföG 1971 ist die Förderquote von über 40 % auf heute unter 13 % gesunken – in NRW sind es gerade einmal 12,1 %. Die Elternabhängigkeit führt dazu, dass viele Studierende keine Förderung erhalten, obwohl sie faktisch nicht unterstützt werden. Besonders in der „Mittelschicht“ fällt BAföG oft weg, obwohl realer Bedarf besteht.

Das LAT NRW hat dies mehrfach kritisiert und fordert eine strukturelle Öffnung des BAföG. Auch im Rahmen der Reaktion auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts machte das LAT deutlich: Die Zugangskriterien müssen überarbeitet, die Förderung elternunabhängiger gestaltet und die Förderquote deutlich erhöht werden.

Das LAT NRW fordert:

  • Deutliche Anhebung der Einkommensfreibeträge.
  • Eine Abschaffung der Elternabhängigkeit.
  • Die Rückkehr zu einem BAföG als Vollzuschuss, um Verschuldungsängste abzubauen.

4. Erwerbsarbeit darf nicht Voraussetzung für Studierbarkeit sein

Die Realität zeigt: Studieren ohne Job ist für die Mehrheit nicht möglich. In NRW arbeiten über 70 % der Studierenden, viele davon aus finanzieller Notwendigkeit. Der Druck durch Erwerbsarbeit kollidiert mit der Erwartung, in Regelstudienzeit zu studieren. Der verpflichtende Leistungsnachweis ab dem 5. Semester (§ 48 BAföG) verschärft diese Situation.

Das LAT NRW forderte bereits im März 2024 angesichts der überlasteten Behörden eine zügige und verlässliche Bearbeitung von BAföG-Anträgen – denn viele Studierende beginnen ihr Studium ohne finanzielle Absicherung. Zugleich betont das LAT NRW: Wer gezwungen ist, 10–20 Stunden pro Woche zu arbeiten, kann kein Vollzeitstudium in Regelstudienzeit leisten.

Das LAT NRW fordert:

  • Eine realistische Anpassung der Förderhöchstdauer an individuelle Lebenslagen (Erwerbsarbeit, Sorgeverantwortung, Krankheit).
  • Die Abschaffung des Leistungsnachweises als Bedingung für Weiterförderung.
  • Eine Studierendenfinanzierung, die Erwerbsarbeit überflüssig macht.

5. Inklusion ermöglichen – Mehrbedarfe anerkennen

Studierende mit Behinderungen oder chronischen Erkrankungen haben nicht nur höhere Ausgaben, sondern auch einen erhöhten organisatorischen und zeitlichen Aufwand im Studium. Die aktuelle BAföG-Regelung berücksichtigt dies kaum bis gar nicht.

Das LAT NRW fordert:

  • Die Einführung pauschaler Mehrbedarfszuschläge im BAföG
  • Eine vereinfachte Verlängerung der Förderhöchstdauer ohne bürokratische Hürden.
  • Die Anerkennung individueller Gesundheitslagen als legitimer Fördergrund.

6. BAföG auch für Schüler*innen öffnen

Der Zugang zum BAföG für Schüler*innen ist nur unter sehr eingeschränkten Bedingungen möglich – etwa bei auswärtiger Unterbringung. Diese Voraussetzungen benachteiligen junge Menschen aus benachteiligten Familien.

Das LAT NRW fordert:

  • Eine Erweiterung des Anspruchs auf Schüler*innen ab Klasse 10 bei nachgewiesener Bedürftigkeit.
  • Die Einbeziehung von Ausbildungskosten wie Lernmaterialien, Fahrkarten oder Klassenfahrten.

7. Bildungsgerechtigkeit sichern – sozialer Herkunft entgegenwirken

Noch immer ist die Chance, ein Studium erfolgreich abzuschließen, eng mit der sozialen Herkunft verbunden. Der sogenannte „Bildungstrichter“ zeigt: Von 100 Kindern aus Nichtakademiker*innenfamilien erreichen nur 8 einen Masterabschluss – bei Akademikerkindern sind es 45. Diese Ungleichheit wird durch das aktuelle BAföG-System nicht abgebaut, sondern verschärft.

Wer auf BAföG angewiesen ist, hat oft schlechtere Studienbedingungen, muss mehr arbeiten, lebt unsicherer – und bricht häufiger ab.

Das LAT NRW fordert:

  • Eine Studienfinanzierung, die faire Ausgangsbedingungen schafft.
  • Eine öffentliche Verantwortung für chancengerechte Bildungswege – unabhängig von Einkommen, Herkunft und Lebenslage.

8. Digitalisierung endlich ernst nehmen – BAföG-Anträge vereinfachen

Trotz der Möglichkeit, BAföG-Anträge digital einzureichen, bleibt die tatsächliche Abwicklung vielerorts analog und bürokratisch überfrachtet. In zahlreichen BAföG-Ämtern werden die online gestellten Anträge noch immer ausgedruckt und anschließend händisch bearbeitet. Dieser Medienbruch führt zu Verzögerungen, Fehlerquellen und unnötiger Mehrarbeit – sowohl für die Verwaltung als auch für die Studierenden.

Gerade in NRW haben Studierende wiederholt lange Bearbeitungszeiten von mehreren Monaten kritisiert. In einer Pressemitteilung im März 2024 forderte das LAT NRW konkrete Verbesserungen im Antragsverfahren, um Wartezeiten zu verkürzen und Studierende nicht in Existenzängste zu treiben.

Das LAT NRW fordert:

  • Eine vollständige digitale Bearbeitung von BAföG-Anträgen – vom Eingang bis zum Bescheid, ohne Medienbruch.
  • Eine einfache, verständliche und barrierefreie Online-Antragsplattform.
  • Die personelle und technische Ausstattung der Ämter, um eine zeitnahe Bearbeitung sicherzustellen.
  • Die Einführung verbindlicher Bearbeitungsfristen zur Vermeidung existenzbedrohender Verzögerungen.

Fazit

Das BAföG in seiner aktuellen Form ist weder existenzsichernd noch gerecht. Es erreicht zu wenige und leistet zu wenig. In NRW ist die soziale Schieflage besonders spürbar – hohe Mieten, hohe Lebenshaltungskosten und niedrige Förderquoten prägen die Realität.

Das Landes-ASten-Treffen NRW fordert:

  • Eine sofortige Anhebung der Bedarfssätze auf ein existenzsicherndes Niveau
  • Eine realitätsnahe Wohnkostenpauschale
  • Einen vollständigen Zuschuss statt Darlehensmodell
  • Einen einfachen, gerechten Zugang zur Förderung für alle Studierenden
  • Eine entschlossene politische Verantwortung für Bildungsgerechtigkeit

Quellen (Auswahl)

  • Deutsches Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW), 22. Sozialerhebung, 2023
  • IT.NRW, Zensus 2023
  • Moses-Mendelssohn-Institut, Wohnkostenbericht 2025
  • Statistisches Bundesamt, Pressemitteilungen 2024/2025
  • Hochschul-Bildungsreport 2020